...bei glühender Hitze war der Besucherzustrom eingeschränkt - wer konnte, flüchtete in den Schatten oder ins Schwimmbad.
Trotzdem war der DKW ein viel beachteter Exot aus einer anderen Welt und zumindest hier in Andernach einer der beiden absoluten Senioren: zusammen mit einem Spielkameraden aus Mayen, einem BMW 3/15 (genannt "Dixi"), vertrat der F5 die 30er Jahre.
Die Supernasen:
...vierzig Jahre Automobiltechnik liegen zwischen diesen Motorhauben - von der Glühlampe zum H4-Halogen-Scheinwerfer, vom Vergaser zur Benzineinspritzung, vom Holz zum Blech, von 18 Pferdestärken zu ungefähr 200, und ungefähr 200 war auch das Marschtempo dieser Mitte-der-70er-Jahre Coupés im Vordergrund.
Der Stern, die weißblauen Nieren und die vier Ringe stehen nach wie vor für feine deutsche Automobile, die Ringe aber nicht mehr für Auto Union, sondern für Audi.
Diese Motorhauben trennen nur vier Jahrzehnte, und trotzdem sind sie Welten voneinander entfernt. Und heute - noch einmal 40 Jahre weiter, liegen wieder Welten zwischen heutiger Technik und dem Blechspielzeug Mitte der 70er Jahre: nicht nur Hybrid- oder Elektroautos drängen auf die Straße, sondern Assistenz-Systeme, Einparkhilfen und erste Prototypen autonom fahrender "Geisterautos" übernehmen das Regiment.
Noch ohne Nieren, aber trotzdem ein BMW und deshalb auch mit weiß-blauem Schmuck auf dem Kühler: ein BMW 3/15 von 1931, gebaut in Erfurt und damit ein weiterer Beleg für automobile Tradition aus dem Osten Deutschlands.
Das Modell 3/15 DA3 Typ Wartburg soll bei Rund- und Bergrennen sehr erfolgreich gewesen sein - BMW begründete offenbar damals schon seinen sportlichen Ruf.
Wie DKW, suchte auch BMW als Motorradhersteller ungefähr zur gleichen Zeit den Einstieg in den Automobilbau und übernahm 1928 die Fahrzeugfabrik Eisenach samt dem Kleinwagen "Dixi 3/15", der ein Lizenzbau des englischen Austin 7 war - nach Übernahme durch BMW wurde der Wagen weiter entwickelt und als "BMW 3/15" verkauft.
Mit 15 PS (11 kW), moderner Stahlkarosserie und 750 cm³ Vierzylinder-Viertaktmotor ist der vollwertige Viersitzer nicht nur damals schon ein richtiges kleines Auto gewesen, sondern auch heute immer noch tapfer, wacker und verlässlich unterwegs: auf der rund 70 Kilometer langen Ausfahrt am heißesten Tag seit 130 Jahren Wetteraufzeichung (der Rekord war am 06.07. mit 40,3°C in Kitzingen gemessen worden) war dieser Wagen das älteste teilnehmende Fahrzeug!
Vermutlich ist dies ein Modell 3/15 DA4, die letzte Entwicklunggstufe mit einer Schwingachse, bei der die Achsschenkel direkt an der Querblattfeder befestigt waren. Da diese Konstruktion beim Einfedern eine Änderung des Radsturzes mit sich bringt, war die Lenkung unpräziser als die der Vorgänger.
Die Kraft der vier Kerzen
Nicht nur ein richtiges kleines Auto, sondern auch ein richtiger kleiner Motor: Vierzylinder Viertakt, solide und pragmatisch konstruiert, übersichtlich einsortiert.
Vom Sound her nicht zu vergleichen mit dem Zweizylinder-Zweitakt-"Räng-täng-täng" und der öligen Duftnote des DKW.
Eigenwillig ist der Antrieb der Lichtmaschine "über Eck", genauso eigenwillig der Antrieb des Zündverteilers und dessen Frühverstellung mit einer Schubstange vom Fahrersitz aus. Und - ganz im Gegensatz zum DKW - mit einem Kühlerventilator, der von einem Riemen angetrieben wird.
Preisfrage
Technik und Sportlichkeit hatten aber schon damals ihren Preis - während der kleine DKW zum Neupreis von 1.880 Reichsmark zu haben war, begann die BMW-Preisliste bei 2.175 und endete bei 2.575 Reichsmark (nach heutiger Kaufkraft ca. 9.250 bis 10.900 Euro).
Nach dem Europafest ging es auf die Heimreise - da der DKW seinen Aufenthaltsort vorübergehend nach Winningen verlegt hatte, waren knapp 20 Kilometer über Landstraßen durch Mülheim-Kärlich und Rübenach samt "knackiger" Steigungen am Rande der Pellenz zu bewältigen: gelegentlich war der Gebrauch des ersten Gangs vonnöten, das Tempo ging auf 20 km/h herunter, und das Ganze bei ungefähr 38°C Außentemperatur.
Das Kühlwassersystem hatte schwer zu kämpfen und der Zeiger des Fernthermometers kletterte auf bedrohliche 100°C, aber nicht darüber (wegen der Beimischung von Glysantin® lag der Siedepunkt zum Glück bei ungefähr 105°C). Der nachgerüstete Elektrolüfter hatte alle Flügel voll zu tun, bewährte sich aber bestens, denn der Kühler kochte nicht über. Den Stresstest hatte der DKW also erfolgreich bestanden.
Schlossgeist und Kultursalonlöwchen
Am 12. September lud der Kultursalon Koblenz zu einer kleinen Ausstellung am Schloss ein und zu einer ebenso kleinen Podiumsdiskussion.
Die erste Saison meines DKW, der ungefähr fünf Jahrzehnte nach seinem aktiven Autoleben in der neuen Rolle als Oldtimer wieder aufgewacht war, begann bereits ihrem Ende entgegen zu streben: der Vorkriegs-Veteran präsentierte sich bescheiden und vornehm elegant vor beeindruckender Kulisse, während auf dem Podium im Inneren des historischen Schlosses in Koblenz die Diskussion über kulturelle Aspekte des Automobilwesens zäh und nicht immer elegant vonstatten ging.
Die Moderatorin, die in vorausgegangener e-Mail-Korrespondenz schon einmal aus dem DKW einen DKV gemacht hatte, konfrontierte den Fachbuchautor Stefan Müller - einen Kenner der Marke Opel - mit ihrer Frage nach einem "Opel Manta GTI". Dem Autoliebhaber ist die Dimension der Blamage klar: schlimmer geht immer!
Man sollte sich auf großer Bühne nicht mit Dingen abgeben, von denen man nicht nur keine Ahnung hat, sondern zu denen man auch keinen Bezug hat.
Den anwesenden Fans der Marke Opel haben die Nackenhaare zu Berge gestanden - nur die Höflichkeit sorgte noch für Ruhe im Saal!
Der Sache angemessen wäre es gewesen, das an sich interessante Thema in einem regionalen TV-Programm zu verbreiten, zum Glück war dies aber nicht so, die Peinlichkeit blieb eine innere Schloss-Angelegenheit und bewegte sich hausintern auf überschaubarem Niveau mit begrenztem kulturellem Wert.
Dem DKW konnte es egal sein: in aller Bescheidenheit verrichtete er vor und nach dem Krieg als Kleinwagen seine Dienste, als der Fahrspaß übermotorisierter Kompaktwagen der mittsiebziger Jahre, ob GTE, GTI oder GTX, noch nicht erfunden war.
Mit 110 PS waren in den 30er Jahren zumeist nicht einmal die schwersten und luxuriösesten Kaliber unterwegs. Aus diesem Grund und weil draußen bedrohlich dunkle Wolken aufzogen, die der gewittrigen Wetterprognose von der Smartphone-App gerecht zu werden schienen, verließen der Fahrer und sein DKW Frontwagen mit einem ganz leichten Kopfschütteln den Kultursalon und machten sich auf den Heimweg.
Es wäre irgendwie nicht richtig gewesen, mit dem alten Gefährt unnötig durch Wind und Wetter zu gondeln, nur um einer "Kulturveranstaltung" bis zum Ende beizuwohnen, die schlecht vorbereitet war und ohne jeden Sachverstand ziemlich ahnungslos moderiert wurde.
Der "Kultursalon" war für den DKW im doppelten Sinn die letzte Veranstaltung im Jahr 2015, danach folgten nur noch ein paar kleinere Ausfahrten und die erste Saison im neuen Leben des DKW war erfolgreich, unfallfrei und ohne größere Pannen absolviert.