Am 09. Dezember 1999 kam jemand, der sich den kleinen alten Wagen anschaute.
Der erfahrene Kfz-Meister war vom Fach und mit der Restauration alter Autos vertraut. Hier und da müssten Ersatzteile her, aber der Experte machte Hoffnung, dass es solche noch zu kaufen gäbe. Allerdings, so stellte er klar, würde das Auto hinterher nicht den Wert haben, der finanziell in die Wiederherstellung investiert werden müsste.
Das Hartgummilenkrad zerkrümelte wie die Kruste am Brot. Das Material hatte sich in seiner Substanz regelrecht zersetzt.
Der Verdeckstoff war bretthart und die Nähte morsch. Türverkleidungen waren neu zu beziehen, Sitze, Bänke und Lehnen neu zu polstern. Die Blechteile mussten gespachtelt und lackiert werden.
Bei dieser Gelegenheit kamen Spuren eines längst vergessenen Autounfalls wieder zum Vorschein, bei dem ein moderneres Nachkriegsauto den Kürzeren gezogen hat:
Dem riskanten Überholmanöver eines Entgegenkommenden auf der B9 bei Brohl am Rhein konnte nicht mehr ausgewichen werden, und die aus dickem, solidem Stahlblech bestehenden Kotflügel des ansonsten hölzernen DKW haben dem Unfallgegner schwere Blessuren beigebracht. Wie es hieß, war das andere Auto nach der Kollision nicht mehr fahrtüchtig.
Der robuste DKW aber schon. Bereits auf den ersten Kilometern einer Reise ins Ruhrgebiet hat es gekracht. Es muss 1953 gewesen sein, früh am Morgen. Schrecklich dunkel sei es gewesen, erinnert sich eines der beiden Kinder auf dem Rücksitz heute. Vater und Mutter wurden unendlich lange verhört, und nach allem, was noch bekannt ist, hat es sich um französische Polizei gehandelt.
Solche war in der ehemals französischen Zone um diese Zeit gerade noch stationiert, und wenn der Unfallgegner Franzose war, hatte er das Recht, französische Polizisten zu rufen.
In jedem Fall hätten aber auch deutsche Kollegen hinzu gezogen werden müssen. Da dies nicht der Fall war, ist vermutlich getrickst worden.
Die Kinder jedenfalls verstanden nicht, worum es ging. Die Fahrerseite des DKW war reichlich ramponiert.
Die Schäden beeinträchtigten aber nur die Optik, nicht die Fahrtüchtigkeit. So konnte die Fahrt zu einer Hochzeitsgesellschaft in Mülheim an der Ruhr nach allerlei Scherereien fortgesetzt werden.
Aber diese Narben eines früheren Autolebens galt es nun ebenfalls zu versorgen. Der Kfz-Meister und Spezialist für alte Autos verlud den Wagen auf seinen Anhänger und nahm ihn mit. Bald mehrten sich aber schlechte Nachrichten, dass dringend benötigte Ersatzteile nicht mehr aufzutreiben wären.
Der kundige Fachmann schien nicht sehr gute Kontakte in die Vorkriegs-DKW-Szene zu haben. Ersatzteile sind für dieses Auto, wie sich später zeigen sollte, meist kein unlösbares Problem.
Zugegeben: 1999 waren die Möglichkeiten, über das Internet Teile aufzuspüren oder Kontakt zu
anderen DKW-Leuten aufzunehmen, keineswegs so wie heute.
Von Zeit zu Zeit meldete sich der Restaurator, aber der genaue Aufenthaltsort des Wagens war mir unbekannt, und der Kontakt lief über einen guten Bekannten. Jedenfalls meldete sich der Restaurautor nur ab und zu - und irgendwann gar nicht mehr. Noch einmal geriet das Auto in Vergessenheit und wartete an unbekanntem Ort weiter auf seine Wiederherstellung.