Im Februar 2012 klingelte am Sonntagabend das Telefon, kurz vor dem "Tatort". Keine Ahnung, wer das nun wieder sein mochte, so spät. Eine Nummer aus Neuwied.
Der Anrufer fragte nach meinem Namen. „Ja, das bin ich!“ – Ob ich mein Auto nicht wieder haben möchte? Auch das noch: der Wagen von Halunken vor der Tür gestohlen und nichts gemerkt? „Nein“, sagte der Anrufer, „ich meine Ihren DKW!“
Das Auto, das in der Garage unter alten Decken verborgen war? In dem wir Kinder heimlich spielten? Und nicht durften? Der DKW, der irgendwann vom Vater wieder flott gemacht werden sollte, später, wenn mal Zeit ist? Der Oldtimer, der eines Tages der Mutter im Weg stand und weg musste?
Ja: der war auf einmal wieder da. Klar wollte ich den wieder haben, aber wohin damit? Es dauerte also einige Wochen, bis die Garage geräumt war, ein Transportanhänger ausgeliehen und ein Termin zum Abholen vereinbart war.
Aber am 05. Mai 2012 war es endlich so weit: mein Freund Peter und ich holten den alten DKW in Neuwied-Torney ab, wo er lange Jahre in einer Scheune stand.
Zum Glück stellte sich heraus, dass der Fachmann und Oldtimer-Freund, bei dem der Wagen so lange
stand, gelegentlich für genügend Luftdruck in den Reifen gesorgt und auch sonst ein absolut geeignetes Quartier geboten hatte. Auf jeden Fall trocken und gut geschützt.
Am Zustand hatte sich wenig geändert: nur die Kolben samt rostiger Kolbenringe waren
inzwischen verschwunden. Das Verdeck immer noch knochenhart, die Nähte nun aber völlig aufgerissen. Es musste zum Transport festgeschnürt werden, damit der Fahrtwind es nicht
abreißt.
Nach dem Aufladen begann heftiger Regen, und das Innere war dem Wetter fast schutzlos ausgesetzt. Vor allem der halb fehlende Motor bereitete zunächst große Sorgen.
Blicke ins Innere dieses Wagens sind Blicke in die Vergangenheit des Automobilbaus.
Das Cabrioverdeck ist eher einem Zeltdach ähnlich und hat nichts mit Autos von heute zu tun – die Handhabung erinnert an den Zeltaufbau am Campingplatz. Da müssen Spriegel ähnlich wie Zeltstangen gesteckt und der Verdeckstoff darüber gespannt werden.
Unter der Motorhaube wirkt der kleine Zweitakter eher schmächtig, erst Recht, wenn Kolben und Zylinder fehlen, das Getriebe ist weit vorne angeordnet, der Motor dahinter. Mit einer langen, inzwischen rostigen Stange wird das Getriebe geschaltet. Wir kennen das vom Renault R4 und der Ente.
Statt einer Wasserpumpe gibt es dicke Rohre und Schlauchleitungen: heißes und damit leichteres Wasser steigt freiwillig in den Kühler empor. Abgekühlt und schwerer sinkt es wieder hinab und zurück in den Motor.
Theoretisch ist das einfach und ausfallsicher. Praktisch aber nicht: in kritischen Situationen wird das Wasser der Wärme des Motors nicht mehr Herr und kocht über - dem unaufmerksamen Fahrer droht ein Motorschaden. Deshalb war in diesem Auto ein Fernthermometer nachgerüstet.
Einen Anlasser oder eine Lichtmaschine hat der DKW nicht
Da hat nämlich jemand eine bessere Idee gehabt: ein Benzinmotor braucht unbedingt ein Schwungrad, und das soll möglichst schwer sein!
Im Anlasser gäbe es einen Anker, der aus schwerem Eisen und noch schwererem Kupfer besteht. Und in einer Lichtmaschine gäbe es das auch. Wenn nun aber ein Anlasser nur vor Antritt der Fahrt hart arbeitet und für den Rest der Reise untätig mitgenommen werden will, muss er sich schon fast den Vorwurf gefallen lassen, ein blinder Passagier zu sein.
Die findige Idee: ein gemeinsamer Anker wurde so konstruiert, dass er beides sein kann - Anlasser und Lichtmaschine in einem! Ein solcher Mehrfachtäter wäre schon aus Gewichtsgründen ein ideales Schwungrad für den Verbrennungsmotor. Seine Zutaten, Eisen und Kupfer, sind ja der Schwergewichtsklasse zuzuordnen und ideal geeignet, um für ruhigen Motorlauf zu sorgen.
Der Name dieser pfiffigen Idee: Dynastart!
Robert Bosch, Vater der Autoelektrik und erfolgreicher Industrieller, soll von der Idee überhaupt nicht angetan gewesen sein. Zu Lebzeiten hat er die Erfindung ignoriert.
DKW hat sich mit der Dynastart-Anlage gern gefeiert und geschmückt, erfunden hat sie aber ein anderer: Friedrich Münz. Gebaut wurden die elektrischen Tausendsassas zuerst in Stuttgart von der Firma Luma, die Münz gegründet hatte. Luma geriet aber in finanzielle Schwierigkeiten, und DKW kaufte den Hersteller einfach mit Mann und Maus und vor allem mit allen Patentrechten auf. Ab 1934 wurde die Produktion der Dynastart-Anlagen dann nach Chemnitz verlagert.
Vielleicht hatte der clevere Robert Bosch doch den richtigen Riecher: einen wirklich dauerhaften Erfolg konnten sich die wundersamen Dynastart-Anlagen nie sichern (auch wenn die Robert Bosch GmbH nach Übernahme der Siba GmbH Ende der 50er Jahre ebenfalls Dynastarter baute). Als die Autos in den 60er Jahren immer stärkere Motoren bekamen, starben sie langsam aber sicher aus. Denn wenn überhaupt, wurden Dynastart-Anlagen nur in Motoren kleiner Pkw unter 750 cm³ oder bei Zweirädern eingesetzt, und dann auch nur bei Zweitaktern.
Erst in neuerer Zeit schien ihnen ein neuer Frühling in Hybrid-Autos zu blühen: der Name DynaStart (mit großem "S" in der Mitte) lebte vorübergend wieder auf.