REISE INS VOGTLAND |
2013 |
Anschließend musste die Karosse zur Autosattlerei gebracht werden - allerdings waren dazu ungefähr 480 km zurück zu legen, und die Karosserie ist bei abgeschraubten Türgriffen 1,38 m breit, während mein Anhänger innen 1,40 misst.
Ganz schön knapp, zumal das Transportgut während der Fahrt dann keinen Zentimeter verrutschen darf, was praktisch nicht zu verhindern ist. Auf einer damaligen Baustelle der A3 am Elzer Berg wurden Anhänger und Ladung bereits zu Anfang der Reise mächtig durchgerüttelt.
Mit einem Flaschenzug und viel Geduld gelang mir zuvor das Kunststück, das hölzerne Gehäuse des DKW quasi millimetergenau zu verladen.
Gummimatten an den Seiten verhinderten Reibereien, falls auch mehrere Zurrgurte bei Bodenunebenheiten oder bei einem Bremsmanöver Berührungen mit dem Anhänger nicht verhindern können würden.
Maßarbeit Am Freitag, dem 13., dem typischen Glückstag, konnte ja nichts schief gehen: die Karosse wurde nach Treuen im Vogtland gefahren. Die Autosattlerei, die nun Verdeck und Innenausstattung erneuern sollte, gibt es seit 1934 in vierter Generation, und man kennt sich dort traditionell mit DKW sehr gut aus.
Chemnitz und Zwickau, Heimat von DKW, Audi und Auto Union, sind nicht weit entfernt, und gerade die alten F-Typen von DKW und IFA wurden in der früheren DDR lange gefahren. Wenn also ein Fachbetrieb in Sachsen die alten Autos nicht in- und auswendig kennt, wer dann?
Das Kunstleder, das in den Tagen vor dem Transport mit Seife, schwarzer Schuhcreme und Cockpit-Spray noch einmal nach Kräften aufgefrischt worden war, fand der Autosattler viel zu schade, um es abzureißen und neu zu beziehen. Beim Verdeck und der Innenpolsterung sah das aber anders aus.
Stilberatung Den Bezugstoff hatte ich schon vorher ausgesucht, und dem vorhandenen Interieur kam mein Stoffmuster fast ideal gleich. Der Fachmann aber winkte ab und stellte sofort klar, dass dieses Auto irgendwann schon einmal komplett neu bezogen worden sein musste. Der vorhandene Farbton sei "nie und immer" ab Werk so gewesen! Unter dem Bezugsstoff kam nach dem Lösen einiger Polsternägel das ursprüngliche Textil zum Vorschein, und das war braun mit einem ziemlichen altmodischen und groben Karomuster.
Hier war wohl in den 50er Jahren einfach blaugrau drüber bezogen worden. Der originale Stoff darunter war arg geschunden, nicht mehr zu retten, für den heutigen Geschmack ziemlich unmodern (was nicht entscheidend wäre), aber vor allem nicht mehr erhältlich.
Mit der Ausführung des Verdecks war der Experte auch nicht ganz einverstanden, die Materialwahl für den Innenhimmel fand er ungewöhnlich und alles andere als serienmäßig.
Altlasten Auch die Seitenverkleidungen an den Türrahmen waren ab Werk nicht passend zur Sitzpolsterung, sondern passend zum Innenhimmel, und dieser war ebenfalls nicht aus dem richtigen Material genäht. Vermutlich waren diese Arbeiten in den frühen 50er Jahren in Neuwied durchgeführt worden, und wahrscheinlich mit dem, was gerade zu bekommen war. Meinem Vater gefiel offenbar das Braun der Sitze nicht mehr, und der helle, natürlich ziemlich schmutzempfindliche Verdeckstoff auch nicht.
Mir war schon rätselhaft aufgefallen, dass die Sitzbeschläge braun lackiert waren und so gar nicht zum blaugrauen Interieur passten. Aber dann wies der Autosattler darauf hin, dass die wenigen Fetzen, die von den bis zur Unkenntlichkeit verrotteten Teppichen übrig geblieben waren, mit braunem Kunstleder eingefasst waren. Damit war bewiesen: original war das Auto innen braun.
Schnell war entschieden, dass die Teppiche natürlich auch wieder hellbraun sein werden, dass die Sitze einen fein gerippten Bezug in einem hellen Nougatton bekommen, und dass sich das Verdeck in rehbraun vom sonst schwarzen Auto dezent absetzen wird.
Fehlinterpretation Dummerweise haben wir zu diesem Zeitpunkt einen ärgerlichen Fehler gemacht: obwohl der Sattlermeister augenblicklich passende Fachliteratur zur Hand hatte ("DKW-Automobile von 1907 bis 1945" von Thomas Erdmann), blieb uns rätselhaft, ob das Verdeck auf mehreren Abbildungen in diesem Buch serienmäßig hellbeige oder hellgrau war - schließlich handelte es sich um schwarz/weiß-Bilder.
Da die Innenausstattung ohne Zweifel braun war, tippten wir für das Verdeck ebenfalls auf hellbraun bzw. beige. Die Vorstellung, dass ab Werk ein hellgraues Verdeck mit einem braunen Interieur kombiniert gewesen sein soll, erschien uns abwegig.
Ausgerechnet diese Farbzusammenstellung wäre aber die einzig richtige gewesen: in dem Buch, das vor uns lag, sind alle Farbzusammenstellungen der zahlreichen DKW-Modellvarianten genau dokumentiert - auf mehr als 300 Seiten hatten wir die entscheidende Information allerdings mehrfach überblättert.
So ist heute - nach Fertigstellung der Restauration - als Wermutstropfen zu beklagen, dass das braune Verdeck eine falsche Farbwahl darstellt und dem Originalzustand leider widerspricht.