DIE STRASSE RUFT |
2014 |
Bald schon sollte es mit dem alten Auto wieder auf die Piste gehen.
Die provisorisch montierten Blechteile waren wieder abgebaut und zur Lackiererei gebracht worden.
Leider gab es aber Terminverzögerungen bei der Lackiererei, sodass die Teile unverrichteter Dinge wieder abgeholt werden mussten und abermals im matten beige der Grundierung montiert wurden.
Um ganz ehrlich zu sein: den Aufwand, "ein paar Blechteile zu lackieren (das kann doch nicht so schlimm sein)", hatte ich gravierend unterschätzt. Das sollte sich noch deutlich zeigen.
Zum 38. DKW Treffen in Garitz wäre der F5 an sich startklar gewesen, wenn auch noch nicht fertig lackiert. Es fehlte nur noch die Zulassung...
Am 26. Mai hatte die zuständige Kreisverwaltung per e-Mail schriftlich mitgeteilt, dass eine Hauptuntersuchung und der Kfz-Brief zur Anmeldung ausreichen würden. Das hörte sich nach einer guten Nachricht an.
Am 28. Mai marschierte ich deshalb mit dem GTÜ-Prüfbericht und allen nötigen Unterlagen zur Zulassungsstelle und hatte mich schon auf die anschließende Abreise zum 38. DKW-Treffen in Garitz gefreut. Aber zu früh gefreut: die Verwaltung ließ mich abblitzen, da der DKW 1961 mit dem Vermerk "verschrottet" abgemeldet worden war.
Dieses Detail war der Kreisverwaltung nicht bewusst (obwohl ich den historischen Kfz-Brief per Mail übermittelt hatte, wo der Umstand zweifellos vermerkt war), und nach einer Verschrottung ist immer eine Vollabnahme beim TÜV erforderlich. Pech gehabt. Nix zu machen.
Am 03. Juni 2014 traf ich mich mit dem Sachverständigen vom TÜV Rheinland zu einer Vorbesprechung. Ich hatte mich gut vorbereitet und war bemüht, dem Prüfer möglichst viel Arbeit abzunehmen und zahlreiche technische Unterlagen und Details fix und fertig geklärt mitzubringen.
Zu diesen Vorbereitungen zählten auch Bildnachweise aus der einschlägigen Literatur, dass das Fahrzeug ab Werk keine Stoßstangen hatte, und was ich gern in den einzelnen Feldern für die Bezeichnung stehen haben möchte. Hier kann es schon mal hilfreich sein, dem Sachverständigen Argumente zu liefern und Nachweise zur Hand zu haben.
Hat man diese nicht, arbeitet der Sachverständige so, wie er es für richtig hält. Hat man Belege, kann man Einfluss nehmen und verhandeln. Auch Sachverständige können, gerade was Vorkriegsveteranen angeht, nicht immer alles wissen. Meine Erfahrungen mit "meinem" Sachverständigen waren sehr positiv.
Was die Achslasten angeht, so waren diese in dem alten originalen Fahrzeugbrief von 1936 nicht eingetragen. Also habe ich ein akkurat vorbereitetes Messprotokoll angefertigt, alle Radlasten mit einer Palettenwaage gemessen und auch alle Hebelarme ausgemessen, die ein Ingenieur braucht, um die dynamischen Achslasten zu berechnen.
Für die einzelnen Felder der Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II gibt es beim KBA eine Ausfüllanleitung zum Herunterladen. Nach Erörterung aller Details verabredeten wir für die Abnahme nach §21 StVZO den Freitag, 06. Juni 2014.
Abenteuerfahrt
Frühmorgens wagte ich mich - mit roten Nummernschildern am alten DKW bewaffnet - und mit einem gewissen Unbehagen auf die Straße, um zur TÜV-Abnahme nach Neuwied zu fahren.
Völlig ungewohnt die fehlende Möglichkeit, Sicherheitsgurte anzulegen. Völlig ungewohnt auch der Blick über diese Motorhaube. Und völlig ungewohnt auch vieles andere:
Ein Getriebe mit einem absolut ungewöhnlichen Schaltschema, das zudem nicht synchronisiert ist und bei dem für jeden Gangwechsel zwei Mal gekuppelt werden muss. Ein Zweitaktmotor, dessen Beschleunigung von 0 auf 100 "lebenslänglich" ist.
Diese erste abenteuerliche Fahrt musste ich im Berufsverkehr absolvieren, als Verkehrshindernis allererster Güte: der TÜV-Termin war um 9:30 Uhr und vorher waren noch die Achslasten zu messen.
Ähnlich nervös wie ein Fahranfänger kam ich in Neuwied schweißgebadet an - Kupplung und Gangwechsel hatten volle Konzentration verlangt und waren trotzdem nicht ganz ohne Fehl und Tadel - das heißt ohne Bocksprünge und häßliche Kratzgeräusche - gelungen. Und bei so einem Auto steht der Fahrer immer im Rampenlicht. So ein Gefährt fällt auf. Es knattert und stinkt ja auch genug.
Die strengen Augen des Prüfers vom TÜV Rheinland hatten am Ende keine Bedenken, dem alten Gefährt den Segen zu erteilen, den die Zulassungsstelle verlangt. Ein Scheinwerfer leuchtete nicht ganz in die korrekte Richtung, insbesondere die blinkenden Winker aber fanden keine Beanstandung.
Am Dienstag, dem 10.Juni 2014, auf den Tag genau 53 Jahre nach der Abmeldung, wurde der Oldtimer mit genau demselben polizeilichen Kennzeichen bei der Zulassungsstelle Andernach zugelassen, das genau dieses Fahrzeug am 20. September 1956 im damaligen Landkreis Mayen erhalten hatte. |
Dazu sei angemerkt, dass das heute in Deutschland übliche System der Kennzeichen (mit einem bis drei Kennbuchstaben für die Stadt bzw. den Landkreis) erst am 01.07.1956 eingeführt worden ist. Davor fuhr alles noch mit schwarzen Nummernschildern und weißer Schrift durch die Gegend. Der DKW dürfte also eines von ganz wenigen Autos im Landkreis Mayen-Koblenz sein, das mit einem so früh zugeteilten Kennzeichen noch (oder wieder) unterwegs ist.
Am 2. Juli animierte mich ein befreundeter F8-Fahrer aus Koblenz zur ersten Ausfahrt: über 11 Kilometer ging es in die Vulkaneifel nach Mendig zur Vulkanbrauerei, die mir als Kind und dem F5 in seiner aktiven Zeit noch als "Wölker-Brauerei" bekannt war. Zusammen mit meinem F5 tastete ich mich in die "weite Welt" hinaus.
Die leichte Steigung Richtung Eich und weiter nach Nickenich hinauf quittiert mein "normales" Auto mit einem Achselzucken - der F5 jedoch schnaufte schwer - nachdem eine rote Ampel unseren schönen Schwung zerstört hatte, ging es mit 55 km/h den "Berg" hinauf und steigerte sich auf sagenhafte 65 km/h(!). Das allerdings ist schon zu viel des Guten, denn das frisch überholte Motörchen muss noch eingefahren werden - mehr als 55 km/h wären eigentlich tabu gewesen.
Einen herzlichen Dank an all jene, die für ein oder zwei Kilometer mit viel Geduld und ohne uns geballte Fäuste zu zeigen hinter uns her "zockeln" mussten - sorry: wir können halt nicht schneller!
Inzwischen, am 17. September 2014, hatten wir schon rund 360 Kilometer abgeknattert und die Schaltvorgänge gelangen jetzt meist ohne Zähneknirschen im Getriebe.