August 

 Roll over Tienhoven* 

*) ...frei nach Chuck Berry: "Roll over Beethoven" (1972)...

Es ist nicht abwegig anzunehmen, dass Menschen, die am Wasser leben, weltoffener und toleranter sind als jene, die hinter dem Wald wohnen. Seit Tausenden Jahren waren es die Meere und Flüsse, auf denen Waren transportiert wurden, die Handel und Wandel brachten und natürlich auch Wohlstand. Erst nachdem James Watt die Dampfmaschine auf Räder und Schienen stellte und den Verkehr von Gütern und Menschen enorm beschleunigte, erreichten Warenströme und Weitsicht auch das Hinterland.

 

Die Niederlande liegen von Alters her am Wasser, am Meer und an den wichtigsten europäischen Flüssen – kein Wunder, dass die Niederländer wissen, wie sie mit Reisenden, mit Gästen und mit der eigenen Kultur umzugehen haben und auch mit Tradition.

Harry Broers, Vorsitzender und immer ansprechbarer Organisator

 Erinnerungskultur 

 

„Die Leute erinnern sich immer an die guten und an die schlechten Sachen, auch nach 10 Jahren noch. Ob das Essen toll war oder mies, ob die Organisation perfekt war oder ein Chaos, ob die Stimmung klasse war oder nicht. Wir wollen, dass die Teilnehmer zufrieden und glücklich sind, und dass sie noch lange davon sprechen werden“, sagte Harry Broers, der unglaublich sympathische und auf dem 44. Internationalen AUVC-Treffen allgegenwärtige Vorsitzende des niederländischen DKW-Clubs und Organisator des Treffens.

Anmeldung im "Zentralbüro" der Organisationsleitung

 Empfangskomitee 

 

Das ist ihm und seinen zahllosen Helfern mit Bravour gelungen! Das fing schon bei der Anmeldung bzw. Nennung an: kein Formular zum Ausfüllen von Hand und faxen oder umständlich scannen und mailen, nein: im Internet auf "Anmelden über Website" einfach ausfüllen: zack zack, klick, klick und fertig! Mit insgesamt fünf Newslettern wurden die Teilnehmer über das Treffen informiert und die Vorfreude gesteigert. Zwischendurch hieß es "schon 160 Teilnehmer..."! Bei der Ankunft saßen in einem Zelt nette in orange gekleidete Damen, die anhand der Meldebestätigungen mittels Barcode und Handscanner alle Daten im Handumdrehen parat hatten. Jeder bekam sein Armbändchen mit codierten Ringen verpasst und wurde freundlich begrüßt: "willkommen, hier Eure Unterlagen... viel Spaß in Holland". Am Gate im Flughafen geht es nicht professioneller zu!

Die Leute vom Organisationsteam hatten orangefarbene T-Shirts (was sonst) und die freiwilligen Helfer knallgelbe. Die Parkflächen waren mit rot-weißen Markierungsbändern, festgenagelt auf dem Rasen, klipp und klar gekennzeichnet – 101 von 100 möglichen Punkten! Wer seinen fahrbaren Liebling auf einem Trailer heran gekarrt hatte, bekam eine Registriernummer wie an der Garderobe im Theater, und der Trailer wurde von Helfern mittels Traktor weg getuckert und zur Abreise wieder herbei geschafft. Ein wahres Heer von freiwilligen "gelben" Helfern regelte alles und jedes Detail für die Besucher. Das Sorglos- und Wohlfühlpaket – einfach phantastisch!

Ein wunderschöner AUDI Super 90, wie aus dem Laden

Wie schon in Freiburg und auch nicht anders zu erwarten, war die "Union" in Gestalt aller vier Vorkriegsmarken inklusive Audi, Horch und Wanderer, bedauerlicherweise nicht vertreten. Neben "echten" DKW fanden nur die Namen "Auto Union" und "Audi" (allerdings Nachkrieg) auf jenen Motorhauben Erwähnung, die nach dem Verschwinden der Marke "DKW" im damaligen Westdeutschland die Tradition der ehemaligen Hersteller aus Ostdeutschland im Zeichen der vier Ringe fortführten. Aber keine Frage: alles, was irgendwie vier Ringe hatte, gehörte zum Familienfest dazu.

Ein "patinierter" DKW F5-600 Limousine von 1935

Das wahrscheinlich älteste vertretene Fahrzeug war eine F5-Limousine von 1935, die ihre sicherlich bewegte Vergangenheit ungeschminkt zu Markte trug: irgendwann einmal in all den vielen erlebten Jahrzehnten etwas eigenwillig lackiert und offensichtlich auch einmal mit neuem Kunstleder bezogen, erzählte dieser Wagen wortlos von seiner arbeitsreichen Vergangenheit. Zwangsläufig über die Zeit nicht mehr so ganz original, aber doch weitgehend authentisch erhalten. Dem Armaturenbrett sind gewisse pragmatische Eingriffe nicht erspart geblieben, aber die künstliche Wurzelholz-Imitation war eins-zu-eins erhalten geblieben, nur von unvermeidlichen Blessuren gezeichnet. Ein kleines rollendes Museumsstück.

Elfer und Zwölfer-Parade (nur einige von vielen)

Zwischen den Eckpunkten des Zeitfensters, 1935 mit dem DKW F5 und 1975 mit dem Audi 50, waren die große Masse vor allem zahlreiche Elfer, Zwölfer, Tausender, Coupés, Cabriolets und Roadster. Es war praktisch alles da, auch Mungas und Monzas und aus der Zweiradabteilung Hummeln, RTs und andere Delikatessen. Insgesamt waren 222 Nennungen aus vielen verschiednen Nationen aufgelistet.

Big Brother is watchiing You - Drohne in Aktion

 Luftraumüberwachung 

 

Das DKW-Treffen fand unter (fast) ständiger Aufsicht einer Kameradrohne statt, die von niedrigen Überflügen bis zu Aufstiegen in große Höhen allgegenwärtig umher schwirrte und deren Akkukapazität schier unerschöpflich schien. Doch schon wenige Stunden später flimmerten atemberaubende Filmaufnahmen der "Aufklärungsflüge" über die Leinwand eines Beamers im Besucherzelt und entschädigten für das ständige Summen des elektronischen Plagegeistes.

Fahren auf der Deichkrone

 Unter dem Wasser 

 

Am Samstag brachen die meisten Teilnehmer zum Ausflug in die wundervolle Umgebung auf. Auch dieser Tag war perfekt organisiert, die gesamte Route samt Höhenprofil (immerhin von -3m bis 11m) war im Internet beschrieben und führte planmäßig über 113 km Strecke. Trotzdem haben es einige Teams geschafft – uns selbst eingeschlossen – ab und zu die Orientierung zu verlieren. Kilometerweit ging es oben auf den Deichen am Wasser entlang, oft parallel zur Berufs- und Sportschifffahrt, und gelegentlich auch "unter Wasser": in Holland liegen die tiefsten Stellen eben unter dem Meeresspiegel.

Zwar gab es keine Berge, aber dafür die Sensation der "Unterwasserfahrt": drei Meter tiefer als der Meeresspiegel.

 Deichfernsehen... 

...vom F5 auf der Deichkrone.

Auf der einen Seite Wasser, auf der anderen Landschaft und Windmühlen

Ein cleverer Trick der Fahrtleitung sorgte für lockeren Ablauf und vermied Staus sowohl auf der Straße, als auch an den Etappenzielen: es gab keinen geschlossenen Start wie auf der Rallye Monte Carlo und daher auch keinen langen Corso. Jedes Team legte selber fest, wann es starten wollte, das Ergebnis waren mehr oder weniger kleine Grüppchen von Fahrzeugen, die weder dem einheimischen Straßenverkehr, noch sich selbst gegenseitig auf die Nerven gingen. Dem Gemeinschaftserlebnis schadete dies überhaupt nicht, ganz im Gegenteil...

 Luftnummer 

 

Auch über dem Deich tauchte Big Brother unvermittelt auf: die Kameradrohne vom Campingplatz sauste mit beeindruckenden Manövern über den kleinen Gruppen der historischen Autos dahin, zeitweise sogar parallel neben uns her. Wir freuen uns auf die Bilder, wenn sie veröffentlicht werden! Als das Wetter Besserung zeigte, ließen wir uns zu dem Leichtsinn hinreißen, das Verdeck zu öffnen und unter Frischluft weiter zu reisen. Diese Rechnung war allerdings ohne den Wirt gemacht: bald fanden sich erste kleine Tropfen auf der Windschutzscheibe. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit sollte es aber in der Theorie gelingen, schneller als der Fall der Tropfen zu eilen, sodass es im Auto nur mäßig nass werden würde.

 Vollwaschgang 

 

Bescheidene 18 PS einerseits und die Verkehrssituation andererseits stellten dieser Theorie aber die Praxis entgegen, sodass es im Auto schon bald und sehr wohl nass geworden ist. Als aus anfänglich feinen Regentröpfchen dann auch noch richtig dicke Brummer wurden, die nicht nur auf der Scheibe, sondern auch auf der Stirn und je nach Tempo auch tiefer einschlugen, kam der Moment der Entscheidung! Zwar versprachen wenige Kilometer voraus blaue Stellen im Gewölk Besserung, aber die Stimmung im Cockpit wurde zunehmend gereizt. So kurvten wir in einem gewagten Fahrmanöver auf eine Haltebucht neben der Fahrbahn und schlossen eiligst das Verdeck. Bei einem DKW F5 in der Ausführung "Reichsklasse" ist das allerdings nicht so einfach ist wie es sich anhört, es sind auch ein paar gekonnte Handgriffe mehr erforderlich als der moderne Autofahrer von heute ahnen möchte.

Gelegentlich haben Schiffe vor Autos den Vortritt.

 Brückentechnologie 

 

Es ist Zauberei. Nach Vollendung des Zeltbaus auf der F5 Cabriolimousine und unmittelbar nach der Weiterfahrt kam, was kommen musste: der Regen hörte auf! Beim anschließenden Zwischenstopp in Leerdam und Einkauf im Käseladen machte sich bei wärmendem Sonnenschein wieder Holland-Stimmung breit:

Zwar nicht aus Leerdam, sodern aus Schoonhoven, zeigt dieses Bild die typische Stimmung einer holländischen Kleinstadt.

...zwischen Häusern und Booten im Wasser hätte jeden Moment Walter Giller, Hans-Joachim Kuhlenkampff oder Heinz Erhardt um die Ecke gekommen sein können – die berühmten Chaoten aus dem Film „Drei Mann in einem Boot“ auf der Suche nach ihrer Kunst-Auktion. Angesichts der schönen Autos aus dieser Zeit eine nahe liegende Assoziation.

Nach der Ausfahrt durch die urholländische Polderlandschaft von Süd-Holland Süd, der "einfach schönsten Region von Holland", einem "Schatzkästlein voll historischer Sehenswürdigkeiten, wasserreicher Gebiete und reizvoller Landschaftselemente", stand ein Grillabend auf der Tagesordnung.

 

Eine gehörige Portion Schwein war aufgespießt und über glühender Holzkohle schon am frühen Morgen in Rotation versetzt worden. Die Abendsonne lachte aus vollem Herzen und das gesamte historische Räderwerk war auf den Parkflächen anwesend.

Festzelte, Partystimmung und Fahrzeugparade am Grillabend.

Fleißige gelbe Helfer standen aufgereiht an ihren Gasgrills und brutzelten kleine Spieße und andere Köstlichkeiten. Von einer  Schlacht am Büffet, durch traditionelle Hungersnöte getrieben, wie wir sie von anderer Stelle kennen, war hier keine Spur: es war mehr als genug für alle da, und das haben die Veranstalter auch gesagt: „bedient Euch reichlich, es wird immer nachgelegt!“ Die Teilnehmer wurden einfach nur im Überfluss verwöhnt – perfekt auch an dieser Stelle .

Frisch geduscht war die Holzkarosserie des F5 pudelnass!

Zur Abenddämmerung – pünktlich nach dem Essen und keine Minute zu früh – zogen urplötzlich düstere Wolken auf und bescherten einen Wolkenbruch, der alles davon eilen ließ, was Beine zum Laufen hatte. Ruck-Zuck war das geräumige Zelt nicht mehr geräumig, sondern ziemlich voll. Hier sorgten aber Filme und frisch geschossene Bilder auf der Kinoleinwand für Kurzweil und gelegentlich waren auch bereits Aufnahmen der Kameradrohne zu sehen, die an den Deichen parallel zu den Autocorsos geflogen war und wunderbare, nie gesehene Luftaufnahmen gemacht hatte.

Nach dem Regen war unser F5 reif zum Auswringen, denn die alte Holzkarosserie der Bauart „Cabrio-Limousine“ hatte dem seitlich vom heftigen Wind heran geblasenen Regenguss wenig entgegen zu setzen. Bei der Rückfahrt zum Hotel zeigte sich erstaunlicherweise, dass der DKW, obwohl er weder Gebläse, noch Heizung hat, dennoch mit beschlagenen Scheiben fertig werden kann und auch nach wenigen Kilometern innen warm wird. Nach für zwei, drei Minuten mit herunter gekurbelten Fenstern scheint wohl durch allerlei Ritzen und Öffnungen genügend warme Luft vom Motorraum ins Innere zu gelangen.

Das Wetter zeigte sich nicht immer von seiner besten Seite.

 Dank je wel! 

 

Der Sonntag war für viele schon wieder der Tag der Abreise, und das in jeder Hinsicht gelungene 44. Internationale AUVC-Treffen ging seinem Ende zu.

 

Und das durchaus wehmütig. So viel lässt sich nämlich auf jeden Fall sagen: wir werden es tatsächlich nicht vergessen und bestimmt noch lange darüber reden. Und zwar mit Begeisterung – ein herzliches "dank je wel"  an die Gastgeber!

 

Der eingangs erwähnten These jedoch, dass jene Völker, die am Wasser leben und durch Handel, Wandel und Wohlstand Offenheit und Toleranz in ihr Selbstbewusstsein eingefleischt haben, soll nun hier eine zweite These an die Seite gestellt sein: und zwar haben jene Völker, die schon immer an wichtigen Handels- und Reiserouten zu Hause waren, nicht minder Offenheit und Gastfreundschaft in ihren Traditionen einverleibt. Denn es muss nicht immer Wasser sein!

 

Über die Pässe der Alpen waren schon zu Cäsars und Hannibals Zeiten, jedenfalls vor der Eisenbahn und vor den kühnsten Tunnelbauvorhaben Waren- und Personentransporte durch alpines Gebirge lebensgefährliche Abenteuer. Sie brachten Fuhrleuten, Gastwirten, Handelstreibenden und Gemeinden Reichtum, Wohlstand, Einfluss und Weitsicht.

 

So dürfen wir uns freuen auf das 45. Internationale AUVC-Treffen, das 2018 in der Schweiz stattfinden wird, in einem Land, das nicht weniger traditionsbewusst ist als die Niederlande. Eine Steigerung gegenüber Holland ist nur schwer vorstellbar, aber nicht unmöglich: die Schweizer sind berühmt für ihre perfekte Präzision .

 

 Tagebuch 

                letzte Aktualisierung: 17.08.2019...                                                     Garitz   2019:        seit 20.08.2017 einige Seiten in englischer Sprache (Home, Seite "2017", "Garitz 2017" und "Tienhoven 2017" "Garitz 2019 und Cirencester 2019")                 
 

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