RÄDERWERK 

 2013 

 Eisen-Zeit 

Da die Holzkarosserie nun ins Vogtland verreist war, gab es in der Garage wieder Platz für jene Bestandteile des alten Wagens, die aus Eisen sind.

 

Also wurde das Chassis wieder aus Neuwied abgeholt und nach Andernach geschafft. Das war auch der ganze Hintergedanke: um Zeit zu gewinnen, konnte ich mich parallel um die Mechanik kümmern, während der Polsterer mit seinen Leuten an der Nähmaschine sitzt.

 

So von vorn betrachtet macht dieses Chassis nicht viel her: es scheint einfach konstruiert zu sein und macht mit seinen Blattfedern einen robusten und zugleich grazilen Eindruck.

Doch dieser Eindruck täuscht: Blattfedern haben nicht nur den Charme eines Güterwaggons, sondern sie sind auch dementsprechend schwer. Der Rest des Chassis ist nicht weniger gewichtig und bringt satte 250 kg auf die Waage. Meterlange elektrisch geschweißte Nähte und überall dickes Eisen machen das Fahrgestell nicht nur stabil, sondern auch bleischwer und gegen Rost gut gerüstet.

Von diesem Rost gab es nach all den Jahren dennoch reichlich, und vom Verschleiß auch. Also an die Arbeit:

 

Das ganze Fahrgestell wurde aufgebockt und die Räder abmontiert - leichte Arbeiten zum Auftakt. Dann mussten die Bremstrommeln abmontiert werden, und schon ging der Ärger los. Dafür werden nämlich spezielle Werkzeuge von DKW benötigt, die es heute nicht mehr gibt. Außer bei schwer "DKW-infizierten".

 

 Knochenjob  Universelle Abzieher für Bremstrommeln aus dem Arsenal heutiger Kfz-Werkstätten passen nicht.

Improvisation war gefragt, und auch damit stellte sich bald Ratlosigkeit ein: die Trommeln saßen bombenfest.

 

Erst rabiate Hiebe mit dem schweren Hammer bei gleichzeitiger Misshandlung von Werkzeug und Mechanik, sowie viel Feuer aus einem Klempner-Lötgerät großen Kalibers führten zum Erfolg. Es ist erstaunlich, wie viel rohe Kräfte Eisen aushält, bevor es bricht.

 

Je mehr die Demontage voranschritt, desto mehr Überraschungen kamen zum Vorschein: völlig ausgeschlagene Lager, abgebrochene Gewinde, verschlissene Simmerringe, beschädigte Naben, geschundene Kugellager und viele andere schadhafte Teile.

Bei einem der Simmerringe hatte sich die Spannfeder durch die Dichtlippe hindurch gedrückt und auf der Nabe des Vorderrades eine tiefe Nut eingerieben. Eine Reparatur der aufwendigeren Art war nötig. Das heißt: die Drehbank musste bemüht werden.

Da ist so einiges, was an solch einem Rahmen alles abmontiert werden kann, bis er wirklich "nackt" ist.

 

Die Buchsen für Pedal- und Bremswellen habe ich mit eigens angefertigten Stopfen aus Nylon ausgefüllt und vor Schäden geschützt. So vorbereitet ging es mit dem Rahmen dann zum Sandstrahlen nach Neuwied zur Firma Normann.

 Strahle, Mann 

der Facharbeiter an der Strahlpistole hatte vier volle Stunden mit Sand zu blasen, bis Rost, alte Farbe und knochenharter Unterbodenschutz restlos entfernt waren. Nach dem Sandstrahlen bedurfte das rohe Eisen umgehender Grundierung. Mit Epoxidharz-Grundierfüller und zusätzlich mit einem hochwertigen Rostschutz auf Zinkbasis wurde das empfindliche Metall sofort behandelt. Die später sichtbaren Stellen bekamen außerdem eine schwarz glänzende Lackschicht verpasst. Auch die Hinterachse und diverse Kleinteile waren zu grundieren und zu lackieren.

 Das liebe Federvieh... 

nach Silvester kamen die Blattfedern auf die Werkbank: als sie auseinander gebaut waren, war sofort klar, dass einige der Blätter gerichtet werden mussten. Unerschrocken stellte ich mich den Herausforderungen, erst später erfuhr ich, dass sich nicht Viele an diese Arbeit heran wagen. Dicke, fest angetrocknete Fettschichten erforderten große Mengen Nitroverdünnung, alte Lappen und viel Zeit, um den Federstahl zu säubern und anschließend mit der Drahtbürste zu entrosten. Sehr schmutzige Finger waren unvermeidbar, denn keiner meiner Schutzhandschuhe überstand die Nitroverdünnung länger als eine Minute.

 

Die unteren Federblätter lagen nach der (vorsichtigen) Demontage flach und ohne jede Wölbung auf der Arbeitsplatte. Und das dürfen sie nicht. Guter Rat war jetzt teuer, denn alle Federschmieden, von denen ich dringend eine gebraucht hätte, sind in und um Andernach bzw. Neuwied längst ausgestorben.

 

Nach der berühmten Lauferei von Pontius zu Pilatus fand sich endlich jemand in Koblenz, der früher einmal Federn gerichtet hatte und der wusste, wie es geht. Der Fachman nennt diese Arbeit "sprengen", und er empfahl, die Federn kalt zu richten. In seiner Mittagspause - immer ins Pausenbrot beißend - gab er die nötigen Tipps. Er hätte das früher mithilfe einer großen Exzenterpresse so gemacht, und eine solche hatte ich natürlich nicht. Ob das auch auf einer Hydraulikpresse machbar wäre, wollte ich von dem erfahrenen Praktiker wissen.

Der hielt das aber für keine gute Idee und war der Meinung, es fehle dann am nötigen Feingefühl.

 

Mit einem Trick gelang es mir aber doch: ein altes Anlassergehäuse als Stempel leitet die Kraft der Hydraulik über eine Rundung in das Werkstück ein. So wirkt die Last nicht auf einem Punkt und ermöglicht zwischen zwei Holzklötzen eine dosierte Biegebeanspruchung, mit der das Federblatt Zentimeter für Zentimeter gerichtet werden kann.

 

Immer gleicher Biegedruck lässt sich am Manometer der Presse ablesen und kontrollieren.

Erst später erfuhr ich in einem älteren Artikel der Zeitschrift "Oldtimer-Markt", dass auch ein schwerer Schlosserhammer geeignet wäre, allerdings hätte mir das nötige Kaliber und mit längsgerichteter Finne sowieso nicht zur Verfügung gestanden. Im Nachhinein erfuhr ich aber, dass ich das meiste richtig angepackt hatte, nur eben auf meine Weise:

Messen der Verschleißtiefe mit der Schieblehre
Die einzelnen Lagen einer Vorderfeder

Ich wagte also einfach einen Versuch mit der Hydraulikpresse: zwischen den zwei Holzklötzen und mit dem schon erwähnten Anlassergehäuse habe ich angefangen, die einzelnen Blätter Stück für Stück wieder in eine schöne geschwungene Form zu biegen.

Was sich so einfach anhört, erfordert in Wirklichkeit sehr viel Geduld und Zeit, denn die Wölbung kann nur in vielen kleinen Schritten und nur sehr dosiert vergrößert werden. Immer wieder müssen die einzelnen Federblätter aneinander gelegt werden, sie müssen zueinander passen und dürfen keine punktuellen Druckstellen haben.

Aber es gab noch andere Hürden: die oben liegenden kürzeren Federblätter sind stets etwas stärker gewölbt als die darunterliegenden längeren und stützen diese an den Enden ab. An diesen Enden entsteht dadurch bei jedem Federweg Reibung.

Durch diese Reibung tragen sie mit der Zeit Material ab, wie die Bilder zeigen. Die entsprechende Schwächung darf nicht zu groß sein - ich habe sie zuerst mit der Schieblehre nachgemessen (s.o.).

Im Bild rechts oben ist zu sehen, dass eine tiefe Delle in den Stahl hineingerieben worden ist. Um diese Stellen zu egalisieren, benutzte ich die alte Kunst des Feilens: Besuche im Fitness-Studio erübrigten sich dadurch, das Ergebnis zeigt das mittlere Bild rechts. Kleine Fehlstellen habe ich bewußt stehen gelassen, um nicht unnötig viel Material zu opfern. Insgesamt gibt es vorn und hinten knapp 20 Federblätter, die auf beiden Seiten oben und unten zu bearbeiten sind. Viel Zeit, um nachzudenken, was im Leben alles schief gelaufen ist. Schon beim Zerlegen war aufgefallen, dass die Federbruchsicherungen gerissen waren. Als Ersatz habe ich nach Rücksprache mit einem Kfz-Sachverständigen neue Exemplare aus Edelstahlblech angefertigt und mit den Werkstoffdaten einen Festigkeitsnachweis gerechnet.

Federblatt, durch Verschleiß abgetragen
Federblatt, von Hand plan gefeilt
Blattfedern, lackiert, gefettet und montiert

Am Ende vieler Arbeitsstunden und mit Muskelkater in den Armen habe ich alles wieder zusammen gebaut, grundiert und lackiert.

 

Ein Freund alter Vorkriegs-DKW aus Berlin riet vom Lackieren ab: diese Kosmetik hielt er für eine Unsitte übereifriger Restauratoren "im Wilden Westen" - für seinen Geschmack hätte die Drahtbürste und eine gute Ladung frisches Fett genügt! Tatsächlich hatte ich einen Moment überlegt, ob die Federn unbedingt lackiert werden müssten. Ich dachte alternativ an Klarlack, der das blanke Eisen samt Zunder antiqiuert aussehen ließe und trotzdem vor Rostansatz schützen würde.

 

Klarlack haftet aber nicht besonders gut auf blank gefeiltem Eisen, und so kam dann doch schwarzer Lkw-Lack auf einer Grundierung mit Epoxidharzfüller zum Einsatz.

 

Letztendlich bin ich mit dem Ergebnis zufrieden und durfte gespannt sein, wie sich die Federn nach meiner Rosskur im Auto "benehmen" würden.

 

(um es an dieser Stelle vorweg zu nehmen: sie benehmen sich seit der Restauration hervorragend).

 

Vernünftig betrachtet ist es allerdings nicht ratsam, diese wahnsinnig aufwendige Arbeit selbst erledigen zu wollen, denn gebrauchte oder überholte Blattfedern sind oft zu günstigen Preisen zu bekommen, jedoch zumeist für die späteren F7-Typen. Erstens lag hier aber der Reiz der Arbeit in der Herausforderung, auch schwierige Aufgaben selbst zu meistern, und zweitens sind die F7-Federn völlig anders und Exemplare des alten F5 sind sehr dünn gesät.

 

Jedoch bieten sich in einschlägigen Fachzeitschriften spezialisierte Handwerksbetriebe für die Überholung oder Neuanfertigung von Blattfedern an.

Die folgenden Tage waren einem Sammelsuruim von Kleinteilen gewidmet: die Federgabeln waren viel zu verschlissen, um wieder eingebaut zu werden. Zum Glück konnte ich Gebrauchtteile vom Typ F7 ergattern, die jedoch mit Säge und Feile umgearbeitet werden mussten. In die Federaugen und Achsschenkel wurden neue Bronzebuchsen eingepresst und mit der Reibahle passend durchgerieben.

Federgabeln und andere Kleinteile mussten natürlich auch wieder lackiert werden, weil rohes Eisen im Handumdrehen Rost ansetzt. Zwischendurch wurden die Bremsbacken mit neuen Belägen beklebt, die Bremsseile wieder gängig gemacht, blank gebürstet und mit Schrumpfschlauch bezogen, Radlager und Simmerringe erneuert und die völlig ausgeschlagenen Bremshebelwellen durch neue mit Übermaß ersetzt. Zum Rostschutz wurden sie galvanisch verzinkt. Auch hier mussten natürlich die Lager auf das Übermaß passend ausgerieben werden. Alles keine weltbewegenden Arbeiten, aber viele kleine Einzelaufgaben, die viel Zeit und Geduld erforderten.

Am Sonntag, dem 23. Februar 2014 um 16:10 Uhr, 111 Tage nach der Demontage der Räder, stand das Chassis wieder auf eigenen Rädern. Für das alte Eisen waren knapp 250 Arbeitsstunden und einige Geduld aufzubringen.

 

Noch fehlten ein paar Kleinigkeiten wie die Bremswellen, die Stoßdämpfer, die Gummipuffer der Stoßdämpferarme und die Abgasanlage.

 

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                letzte Aktualisierung: 17.08.2019...                                                     Garitz   2019:        seit 20.08.2017 einige Seiten in englischer Sprache (Home, Seite "2017", "Garitz 2017" und "Tienhoven 2017" "Garitz 2019 und Cirencester 2019")                 
 

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